Geschichtliches


Thomas-Georg Tremblau:

Das spätrömische Kastell Divitia (Deutz)

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Idealrekonstruktion des spätrömischen Kastells Divitia in Köln-Deutz von Ernst Moißl (Köln, 1950) (C) Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_057850

Eusebius von Caesarea, Zeitgenosse und Bewunderer von Kaiser Konstantin, schreibt zum Bau der Brücke zwischen der CCAA und dem Kastell Divitia anno 310 n. Chr.:

„Die Franken wissen wohl, dass sie den Rhein überschreiten könnten. Du, Konstantin, ließest sie ja gern zu ihrem Verderben herüberkommen, aber sie können weder auf Sieg noch auf Gnade hoffen. Was sie erwartet, mögen sie aus den Martern ihrer Könige ermessen. Sie können so wenig daran denken, den Strom zu überschreiten, dass sie jetzt, obwohl zur Zeit eine Brücke gebaut wird es noch viel weniger wagen. Ihr Franken wagt es ja nicht einmal von ferne im Rheingebiet euch anzusiedeln! Selbst aus den Flüssen im Innern eures Landes trinkt ihr kaum noch im Gefühle der Sicherheit. Dagegen sind die in Abständen an unserer Seite aufgereihten Kastelle ja mehr als Schmuck denn als Schutz der Grenze gedacht. Jenes einst so gefürchtete Uferland pflügt jetzt der römische Bauer ohne Waffen. Darüber hinaus verhöhnst Du durch den Brückenbau in Köln die Reste des hart geschlagenen Stammes der Franken. Sie sollen niemals ihr Angstgefühl verlieren, ständig in Schrecken leben, immer um Gnade flehen. Aber Du machst das ja mehr zum Ruhme Deiner Herrschaft und zur Verschönerung der Grenze als um die Möglichkeit zu haben, so oft du willst, ins Feindliche hinüberzuwechseln, wo doch der ganze Rhein von Kriegsschiffen wimmelt und bis zum Meer unsere Truppen drohend am Ufer verteilt sind. … Fürwahr, größter Konstantin, die Natur selbst dient Deinem Willen; sie erhält verlässliche und dauerhafte Festigkeit, wenn jetzt in die Tiefe der Strudel die Fundamente der so gewaltigen Pfeiler hinabgesenkt werden – ein schwieriges Vorhaben, zu ewigem Nutzen bestimmt. Ganz gewiss hat er schon in seinen Anfängen die Unterwerfung der Feinde bewirkt; untertänigst haben sie um Frieden gebeten und Geiseln vornehmsten Geschlechtes gestellt. Niemand kann darüber im Unklaren sein, wie sie sich nach Vollendung des Brückenbaus verhalten werden, da sie sich schon bei seinem Beginn unterworfen haben.“

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Eusebius von Caesarea
(* 260/64 in Palaestina; †339/40), war ein spätantiker christlicher Theologe und Geschichtsschreiber (Verfasser der zeitgenössigen Konstantin-Biographie)

Diesem Text des spätrömischen Gelehrten und glühendem Bewunderer von Konstantin dem Großen ist zu entnehmen, dass es Kaiser Konstantin darum ging mit dem Bau der Brücke und des neuen Kastells Divitia die Macht der Römer zu demonstrieren und die rechtsrheinischen Franken abzuschrecken, was bis zum Beginn des 5.Jahrhunderts n.Chr. auch gelang. Das Kastell selbst diente zweifellos vorrangig als Schutz der Brücke, der Verbindung zwischen dem Römischem Imperium und dem rechtsrheinischen „Feindes- und Barbarenland“.

Das Kastell Divitia, erbaut zwischen 310 und 315 n.Chr. unter Kaiser Konstantin dem Großen, war fast quadratisch angelegt, mit einer Seitenlänge von etwa 142 Metern. Die innere Fläche des Lagers betrug 1,8 Hektar. Das Mauerwerk war etwa 3,5 Meter stark, das der feldseitig vorspringenden Türme sogar über 4 Meter. Ungefähr 30 Meter vor den Festungsmauern hatte man einen rund zwölf Meter breiten und drei Meter tiefen Graben gezogen.

Die beiden von je zwei Türmen flankierten Torbauten in westlicher und östlicher Richtung lagen genau auf der verlängerten Achse der konstantinischen Brücke. Außer diesen vier Tortürmen gab es noch zehn Zwischen- und vier Ecktürme, die nach außen halbrund um etwa 6 Meter vorsprangen. Die römischen Pioniere bedienten sich dabei folgen- der Mauertechnik: Zwischen zwei Schalen aus zwölf bis 14 Zentimeter hohen Tuffbandquadern schüttete man eine betonartige Mischung aus Kalk- und Basaltstein (Opus Caementitium). Die Tuffsteinschichten waren durch Ziegelschichten unterbrochen.

Im Inneren des Kastells lag auf der Ost-West-Achse die fünf Meter breite Hauptstraße, die Via praetoria. Auf jeder Seite der Hauptstraße befanden sich acht eingeschossige Kasernenbauten, die etwa 57,40 Meter lang und 11,50 Meter breit waren. Die einzelnen Kasernen waren durch 3,90 Meter breite Lagergassen voneinander getrennt. In allen Gassen gab es hölzerne Abwasserkanäle. Vier Kasernen waren in der Mitte der Hauptstraße durch vorgesetzte Säulen hervorgehoben, in ihnen waren wahrscheinlich der Kommandant, die Unteroffiziere und die Verwaltung untergebracht.

Ab dem Jahr 401 gaben die Römer das Kastell auf und die Franken rückten nach. Etwa um 430 errichteten sie hier einen fränkischen Königshof (Divitia Civitas). Zwischen 555 und 557 drangen im Krieg gegen den Frankenkönig Chlothar I. die Sachsen bis ins Kastell Deutz vor, das von ihnen geplündert wurde. Das Kastell wurde schließlich zum Kern der aufstrebenden Siedlung Deutz, zum Nucleus des rechtsrheinischen Köln.

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Münze mit Bildnis Kaiser Konstantins

Auch wenn im Laufe der äußerst unruhigen und wechselhaften Geschichte von Deutz die Mauern des einst mächtigen Kastells immer wieder zerstört und abgetragen wurden, sind noch Heute nicht unerhebliche Reste dieser spätrömischen Festungsanlage zu finden. So beispielsweise in den historischen Gewölbekellern unter der ehemaligen Abtei St. Heribert und nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche des Parkplatzes zwischen der Kirche Alt St. Heribert und dem LVR Landeshaus am Kennedy-Ufer. Nicht zu vergessen die imposanten Grundmauern des römischen Osttores zwischen MaxCologne und dem Senioren-Zentrum St. Heribert, die hoffentlich und in nicht all zu ferner Zukunft Bestandteile des Historischen Park Deutz sein werden; sichtbar, erlebbar, begreifbar.

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© Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln


Professor Dr. Heinz Günter Horn:

Das spätrömische Kastell Divitia in Köln- Deutz

Gutachterliche Stellungname zur Bedeutung der römischen Mauerreste in den Gewölbekellern der ehemaligen Abtei St. Heribert

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ehem. Benediktier-Abtei St. Heribert

Der Verfasser war Mitte November 2012 vom Förderverein Historischer Park Deutz e.V. gebeten worden, die Bedeutung der römischen Mauerreste in den Gewölbekellern der ehemaligen Abtei St. Heribert (heute: Caritas-Altenzentrum St. Heribert) für die Dokumentation, Erfahrbarkeit und Vermittlung der spätrömischen Kastellanlage Divitia-Deutz einzuschätzen. Dieser Bitte kommt er hiermit in der gebotenen Kürze nach. Bei dem römischen Kastell Divitia-Deutz handelt es sich um einen der wichtigsten spätantiken Militärplätze am Rhein.

Die baulich kompakte und überaus wehrhafte Anlage wurde wohl 310 n. Chr. unter Kaiser Konstantin I. errichtet. Sie war damals nicht nur der sichtbare Ausdruck einer neuen Verteidigungsstrategie gegen die rechtsrheinischen Germanen, sondern bildete zugleich auch in Verlängerung der ersten festen Brücke über den Rhein gleichsam in Feindesland einen ebenso politisch wie strategisch bedeutsamen Brückenkopf.

Das Kastell Divitia war offensichtlich bis zum Ende der Römerherrschaft Mitte des 5. Jahrhunderts n. Chr. besetzt. Auch nach Aufgabe und Abzug der Römer hatte der Platz mit den lange noch weitgehend aufrecht stehenden mächtigen Kastellmauern, -toren und -türmen – wie nicht zuletzt die archäologischen Untersuchungen des Römisch-Germanischen Museums in den Jahren 2008-2011 belegen konnten – eine bis heute überaus wechselvolle und bemerkenswerte Geschichte.

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Blick in die historischen Gewölbekeller der alten Abtei St. Heribert

Die Reste einer möglicherweise bereits merowingerzeitlichen Kirche, von Alt-St. Urban samt zugehörigem Friedhof, eines mittelalterlichen Wehrturms der Grafen von Berg und andere Siedlungsspuren dieser Zeit, der preußischen Kasernen und des einstigen Kopfbahnhofs der Bergisch-Märkischen Eisenbahn aus dem 19. Jahrhundert, vor allem aber die heute noch die Geschichtlichkeit des Ortes in besonderem Maße prägenden Bauten der einstigen Benediktiner- Abtei und Kirche Alt-St. Heribert belegen dies. Mit ihnen sind viel Geschichte und zahllose Geschichten durch die Jahrhunderte verbunden. Mit Fug und Recht wird in dem spätantiken Kastell Divitia die Keimzelle des heutigen Kölner Stadtteils Deutz gesehen. Der Beginn der archäologischen Untersuchungen im Kastell Divitia-Deutz geht in die Jahre 1879-1882 zurück. Damals wurde im Wesentlichen die rheinseitige Kastellmauer freigelegt und dokumentiert, danach aber in großen Teilen überprägt oder beseitigt. Die Ausgrabungen zwischen 1927 und 1938 galten dem östlichen Kastellbereich mit Tor und landseitigem Festungsgraben. In den Jahren 1967, 1976 und 1979 wurde der südliche Teil des Kastells – und damit vor allem die Innenbebauung – untersucht. Von den freigelegten Baubefunden konnten eigentlich nur die Reste des Osttores (die Fundamente der Tortürme und die Durchfahrt) erhalten werden. An der Nordseite kennzeichnet auf einem kurzen Stück eine entsprechende Pflasterung den ehemaligen Mauerverlauf und den Standort eines Turmes. Zwischen dem heutigen Lanxass (ehem. Lufthansa)-Gebäude sind stellenweise die Grundrisse der einstigen Mannschafts- bzw. Verwaltungsbaracken und damit zugleich auch in Ansätzen Verlauf und Breite der Hauptstraße (via Praetoria) bzw. der Lagergassen im Pflaster ausgewiesen. Insgesamt eher unspektakulär und wenig sinnfällig bzw. erlebbar. Es bleibt zu hoffen, dass hier insbesondere in Umsetzung des Historischen Parks Deutz neue Akzente gesetzt und ein wirklicher Erlebnisraum geschaffen werden.

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Origialbefund einer Kurtine des röm. Kastells Divitia

Vor diesem Hintergrund sind die eindrucksvollen Reste der spätrömischen Kastellmauer in den mittelalterlichen Kellerräumen des ehemaligen Abtei-Gevierts (heute: Caritas-Altenzentrum) von außerordentlicher Bedeutung für die Erfahrbarkeit und die Vermittlung der antiken Anlage. Insbesondere unter dem nördlichen Gebäudetrakt ist – wie nirgendwo sonst – die mächtige, ca. 3,4 m breite Wehrmauer samt einer Turmrundung noch bis zu einer Höhe von mehr als 3,0 m im Original erhalten.

Der Befund ist einzigartig, sein Erhaltungszustand ungewöhnlich gut. Man erkennt nicht nur die Fundamentierung und den Mauersockel, sondern auch das typische römische Schalenmauerwerk aus aufgemauerten Handquadern mit dem eingefüllten „Betonkern“ (opus caementicium) und den für Bauten der Spätantike charakteristischen durchgehenden Ziegelbändern. Ferner sind – ungewöhnlich genug – auch noch „Handwerkermarken“ und andere Baudetails vorhanden. An keiner Stelle des Kastells Divitia-Deutz erfährt der Besucher begreifbar mehr über das römische Bauhandwerk bzw. Bauwesen, über die Bautechnik und die Bauphysik sowie über die Wehrarchitektur der Spätantike. An keiner Stelle des Kastell Divitia-Deutz sieht er sich unmittelbarer und anschaulicher mit der Anlage und ihrer Geschichte, aber auch mit der besonderen Aura des Ortes konfrontiert. Zudem sorgt das Miteinander von römischer und mittelalterlicher Architektur bereits für eine überaus atmosphärische und gerade in dieser Form attraktive Inszenierung, deren weitere Optimierung ggfls. nur geringer Mittel bedarf.

Aus diesem Grunde sollten alle Anstrengungen unternommen werden, gerade die Kastellmauerreste in den mittelalterlichen Kellerräumen der ehemaligen Abtei St. Heribert (heute: Caritas-Altenzentrum St. Heribert) zumindest zu besonderen Anlässen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und in geeigneter Weise zu präsentieren bzw. zu vermitteln. Wünschenswert wäre, dies später im Rahmen des Historischen Parks Deutz auch dauerhaft zu tun. Sie sind nämlich momentan neben dem (allerdings teilrekonstruierten) Osttor das eindrucksvollste originale und als solches auch noch erlebbare Zeugnis des spätrömischen Kastells Divitia-Deutz, ohne das es wohl auch nicht im Hohen Mittelalter zur Gründung der Benediktiner-Abtei St. Heribert gekommen wäre, deren Gebäude sich in Teilen heute noch schützend über seine Reste legen.

gez. Prof. Dr. H. G. Horn


Professor Dr. Klaus Militzer / Thomas-Georg Tremblau:

Von Castrum Divitensium oder Kastell Divitia bis Deutz, dem heutigen rechtsrheinischen Teil der Kölner Innenstadt

Deutz hatte in mehr als 1700 Jahren schon viele unterschiedliche Namen

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Der Name Castrum Divitia oder Divitensium ist spätrömisch und benennt das von Konstantin dem Großen gegründete Kastell am rechten Rheinufer gegenüber der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (kurz: CCAA), dem heutigen Köln. Errichtet zu Beginn des 4. Jahrhunderts nach Christus war es die Keimzelle von Deutz. Der Name Divitia kann wohl zurückgeführt werden auf die 22. Legion (Legio XXII Primigenia), den Divitenses, die zur Errichtung des Kastells abkommandiert war.

Im frühen Mittelalter wurde der Name Tuitium üblich und ist zumindest seit dem 10. Jahrhundert in lateinischen Quellen, Urkunden und erzählenden Quellen zu finden. Daneben erscheint in der Chronik des Regino aus der Zeit um 900 die Bezeichnung Duiza für Deutz. Das heißt aber nicht, dass „Tuitium“ nicht älter gewesen sein könnte, da „Duiza“ selten und nur in Ausnahmefällen vorgekommen ist. „Tuitium“ hat sich dagegen während des gesamten lateinischen Mittelalters durchgesetzt.

Seitdem umgangssprachliche Quellen (seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts) vermehrt zur Verfügung stehen, hat sich die Bezeichnung Duytz durchgesetzt und ist auf vielen alten Karten zu finden.

Neben Duytz finden sich weitere Abweichungen, wie „Duze, Dutz oder Duitz“. Sie alle wurden analog ausgesprochen. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnt Gottfried Hagen in seinem Buch von der Stadt Köln bereits die Formen Dutze und Duitze. Beide Formen dürften in dieser Zeit analog üblich gewesen sein.

Der Ortsname Duytz oder dergleichen ist in der volkssprachigen Literatur bis in das 18. Jahrhundert oder sogar darüber hinaus anzutreffen.

Die Bezeichnungen Deutsch oder auch Teutsch findet man recht selten, können aber auf Karten des 16. und 17. Jahrhunderts nachgewiesen werden.

Von einer Stadt Deutz, einem „oppidum“ ist seit etwa 1230 zu sprechen. Erzbischof Heinrich I. von Köln erhob damals Deutz zur Stadt, die lange Zeit ein Zankapfel zwischen der Stadt Köln, Kurköln und dem Herzogtum Berg war. Belegt wird dies auch mit dem ersten Stadtsiegel von Deutz aus dem Jahr 1230. Allerdings verlor Deutz seinen Stadtcharakter sehr schnell nach der Entfestung im 13. Jahrhundert wieder und wurde seit 1386 als Freiheit Deutz bezeichnet. Erst 1806 ist Deutz unter den Preußen wieder zur Stadt erhoben worden.

1888 wurde Deutz nach Köln eingemeindet. Seit dem 1. Januar 1975 gehört Deutz zum damals neu gegründeten Stadtbezirk Innenstadt. Seitdem ist Deutz der rechtsrheinische Teil der Kölner Innenstadt und kann als Köln – Innenstadt Deutz bezeichnet werden.