Erinnerungen – von Thomas-G. Tremblau
Es wirkte schon fast ein wenig konspirativ, unser erstes Treffen an einem Spätsommerabend des Jahres 2010 in einem kleinen Hinterzimmer einer kölschen Eckkneipe an der Deutzer Freiheit. Wie viele wir damals dort waren, kann ich heute nicht mehr so genau sagen, aber es werden wohl so zwischen zehn und fünfzehn Deutzerinnen und Deutzer gewesen sein und uns alle verband die Sorge um Deutzer Archäologie und Geschichte, um unser gemeinsames und mehr als 1700 Jahre altes kulturhistorisches Erbe, das wir damals zumindest in Teilen bedroht sahen. So kam es dann auch zum späteren Namen für die sich hier gründende Bürgerinitiative „Bürger für die Erhaltung des kulturellen Erbes in Deutz“ – kurz: BID.
Die Deutzer Bodenschätze – Chancen für mehr!
Recht schnell waren wir uns darin einig, dass es nicht zu akzeptieren sein kann, wie die verantwortlichen Planer des neuen Rheinboulevards dort mit Archäologie und Geschichte umgehen wollten, zumal es sich hier doch auch noch – so ganz nebenbei – um ein eingetragenes Bodendenkmal handelte, um den spätrömischen Ursprung des heutigen Deutz. Schließlich ging es hier bei den Grabungen der Archäologen um eindrucksvolle und von den Archäologen selbst als sensationell bezeichnete Funde aus Römerzeit,n Mittelalter und Neuzeit, um erhaltenswerte Zeugnisse aus den wichtigsten Epochen in der Geschichte von Deutz: um „Deutzer Bodenschätze“, um den Nucleus der Entwicklung des rechtsrheinischen Kölns, um die Wiege von Deutz. Außerdem erkannten wir schon damals die große Chance, den geplanten Rheinboulevard mit seiner imposanten Freitreppe durch einen Historischen Park aufzuwerten. Ein Gedanke, der dann ja auch 2017 in der Begründung zur Preisverleihung des Landschaftsarchitektur-Preises durch den Bund Deutscher Landschaftsarchitekten an das Architekturbüro Planorama Bestätigung finden sollte.
3.600 Unterschriften brachten einiges ins Rollen
Aber zurück ins Jahr 2010. Unserem ersten Treffen in der besagten Eckkneipe an der Deutzer Freiheit folgten recht schnell erste Schritte in die Öffentlichkeit, wollten wir doch ein Umdenken bei den Planern des neuen Rheinboulevards erreichen: Ein Umdenken und Umplanen zugunsten einer erlebbaren Präsentation von Archäologie und Geschichte in einem Historischen Park Deutz. Dabei überraschten uns in den Folgemonaten hohe Akzeptanz, großer Zuspruch und wachsendes Interesse bei den Besuchern und Besucherinnen unserer Veranstaltungen. Besonders unsere Podiumsdiskussionen, die wir ab Herbst 2010 monatlich als „Deutzer Gespräche“ im Deutzer Bürgerzentrum veranstalteten, fanden großen Anklang und füllten dort regelmäßig den großen Saal. Auch mit unserer kurzfristig anberaumten Unterschriftensammlung waren wir ausgesprochen erfolgreich. Bereits im Dezember 2010 konnten wir dem damaligen Oberbürgermeister Jürgen Roters eine Petition mit mehr als 3.600 Unterschriften überreichen, in der Deutzer Bürgerinnen und Bürger vom Rat der Stadt Köln erstmals den Historischen Park Deutz forderten. Von da an beschäftigten sich Rat, Bezirksvertretung und Verwaltung immer wieder mit uns und unseren Themen. Nun ja, dazu haben wir dann allerdings auch immer wieder gerne beigetragen und für entsprechenden Gesprächsstoff gesorgt. So kann man sicherlich das aufwendig inszenierte Moderationsverfahren der Stadt Köln zum Thema Historischer Park Deutz (Beteiligungsprozess Juli – Dezember 2011) auf unsere Aktivitäten zurückführen. Inwieweit und ob überhaupt die Ergebnisse dieses Verfahrens die Entwicklung des HPD allerdings wirklich beeinflusst haben und ob zumindest Teile der recht guten Ideen aus den damaligen Workshops heute im Rheinboulevard wiederzufinden sind, will ich hier nicht kommentieren. Das ist heute Schnee von gestern.
Mit mehr Informationen in die Öffentlichkeit
Mit einigen Publikationen, unserer Unterschriftensammlung und so manchem Infostand, mit den Deutzer Gesprächen, unseren Führungen und nicht zuletzt mit dem 1. Deutzer Kastellfest haben wir dann bis November 2011 das Thema Historischer Park Deutz immer wieder hochgehalten. Dabei fanden wir regelmäßig und vielleicht auch so manches Mal überraschender Weise großes Interesse für unsere Themen und die BID viele neue Mitglieder und Unterstützer. Besonders bemerkenswert und hilfreich war in dieser Zeit sicher auch die starke Unterstützung der Kölner Medien.
Bilder und „Scherben“
Von Anfang an begleiteten wir mit großem Interesse die Grabungen der Archäologen des Römisch-Germanischen Museums am Rheinufer. Ich bin heute ausgesprochen dankbar, dass es uns in nur ganz seltenen Fällen verwehrt blieb, das Grabungsgelände zu besuchen, dort zu fotografieren und im Aushub der Archäologen nach „Deutzer Scherben“ zu suchen. Hierdurch sind wir heute nämlich in der besonderen Lage, eine umfangreiche Sammlung dokumentarischer Fotos der Ausgrabungen im eingetragenen Bodendenkmal Kastell Divitia zu haben und in den Gewölbekellern der ehemaligen Deutzer Abtei eine kleine Ausstellung mit Fragmenten vorwiegend historischer Keramik und antiker Baumaterialien aus dem Grabungsgelände zeigen zu können.
Rote Steine für ein Bodendenkmal
Besonders erwähnenswert ist aus dieser Zeit sicher unser Deutzer Kastellfest im Mai 2011, das damals von niemandem als erstes einer ganzen Reihe von Kastellfesten geplant war, sondern als einmaliges Event, mit dem wir eigentlich nur auf uns und unsere Themen aufmerksam machen wollten. Dabei ging es uns in erster Linie darum, das eingetragene Bodendenkmal Kastell Divitia am Deutzer Rheinufer aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken, war doch nur noch bei wenigen die hohe historische Bedeutung dieses Areals bekannt. Darum war damals auch unsere erste größere Aktion, die Pflasterungen, mit denen der Verlauf und die Lage des römischen Kastells seit den 1970er Jahren im Boden gekennzeichnet waren zu reinigen und in einem Signalrot einzufärben. Umrahmt wurde das Ganze von einem kleinen Römerlager der Reenactment-Gruppe Cohors I Praetoria, auch wenn die Praetorianer nicht so ganz in die Zeit des Deutzer Kastells passten, und einem Lager der Gruppe Terra Coloniensis. Diese letztgenannte Mittelaltergruppe ist übrigens seit 2011 bei jedem Kastellfest mit dabei gewesen und hat den Besucherinnen und Besuchern das Leben des 12. Jahrhundert näher gebracht, einer Epoche, die durch die Abtei des heiligen Heribert für die Entwicklung von Deutz von besonderer Bedeutung war.
Erstes Interesse auch im Rat der Stadt Köln
Mit unserer Unterschriftensammlung von 2010 waren wir mittlerweile im Ratsausschuss für Anregungen und Beschwerden gelandet, der zu unseren Gunsten eine klare Empfehlung an den Stadtrat aussprach, bei den Planungen für den Rheinboulevard für verstärkte Bürgerbeteiligung zu sorgen, ganz besonders im Hinblick auf Archäologie und Geschichte. Somit hatten wir bereits im Frühjahr 2011 auch das Interesse in der Kölner Politik geweckt.
Aus der BID wird der FHPD
Irgendwann im Herbst 2011 wurden innerhalb der BID erste Überlegungen laut, einen Verein ins Leben zu rufen. Die Gründe hierfür lagen auf der Hand und waren irgendwie einleuchtend, würden wir als gemeinnützig anerkannter Förderverein doch ganz anders agieren können und vor allem finanziell gesehen ganz andere Möglichkeiten haben. Also wieder in eine Kneipe, dieses Mal ins Restaurant Oasis mit direktem Blick auf das Grabungsgelände der Archäologen. Am 11.11.11 gründeten wir dort mit 11 Mitgliedern der BID den FHPD, den Förderverein Historischer Park Deutz, einen Förderverein zur Förderung von etwas, was es bis dahin überhaupt noch nicht gab. Mutig, blauäugig oder versponnen? Auf jeden Fall aber ziemlich ambitioniert. Für mich selbst war es dann der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Von Vereins- oder Öffentlichkeitsarbeit hatte ich nämlich nicht die geringste Ahnung und eigentlich war das auch nie so mein Ding. Und jetzt war ich auf einmal sogar Vorsitzender eines Vereins und stand plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit – zumindest in Deutz. Allerdings ging alles erst einmal so weiter wie bisher, nur halt unter einem anderen Namen aber mit wachsender Akzeptanz. Innerhalb weniger Wochen wuchs die Zahl unserer Mitglieder von 11 auf über 100 an.
Archäologie als Chance
Unser Engagement der folgenden Jahre war geprägt und beeinflusst von den Grabungsergebnissen der Archäologen. Jeder neue Fund wurde nicht nur von den Archäologen registriert und dokumentiert, auch bei uns wurde die Liste der erhaltenswerten Relikte vergangener Epochen immer länger und bestärkte uns in unserer Forderung nach der Einrichtung eines Historischen Park Deutz. Archäologie galt bei uns nicht als störend bei der Realisierung der Pläne für den neuen Rheinboulevard mit der imposanten Freitreppe, sondern eher als Chance. Als Chance diesem neuen Stadtraum einen deutlichen Mehrwert zu geben, durch die Integration der zu Tage gebrachten Zeugen vergangener Jahrhunderte und so durch ein Erlebnis 9 visualisierter Stadtgeschichte. Das allerdings hätte zumindest für den südlichen Teil des neuen Rheinboulevard nicht unerhebliche Um- und Neuplanungen erfordert, wahrscheinlich sogar eine weitere Steigerung der Gesamtkosten. Allerdings hätte das federführende Architekturbüro Planorama bei einer Umplanung sicher mitgespielt. So gab es beispielsweise 2012 einen interessanten Entwurf des Architekten für eine museal gelungenere Integration des mittelalterlichen Wehrturms der Grafen von Berg, der dann aber wohl aus Kostengründen verworfen wurde. Ich denke, dass man insgesamt heute feststellen muss, dass mit einem größeren finanziellen Spielraum, Deutzer und rechtsrheinische Geschichte hier sicher mehr Raum bekommen hätte. Allerdings finden wir heute am Rheinufer den Historischen Park Deutz, in dem die mehr als 1700 Jahre Geschichte der „Schäl Sick“ erlebt werden kann. Und das entspricht ganz sicher nicht den ursprünglichen Plänen für den Rheinboulevard.
Wir waren nie nur einfach gegen etwas!
Auch wenn seitens des FHPD in den letzten Jahren manches recht kritisch gesehen wurde und wir auch nicht immer mit offener Kritik gespart haben, so waren wir doch nicht einfach nur gegen etwas, sondern immer und in erster Linie für etwas. Darum haben wir im Jahr 2013 auch zwei Patenschaften übernommen, die von uns seitdem durch verschiedenste Aktivitäten mit Leben gefüllt werden. Neben der regelmäßigen Pflege des Osttores und der Grünanlagen rund um die ehemalige Abtei Deutz, unseren vielen Führungen durch den HPD oder unsere aktive Teilnahme am Tag des offenen Denkmals, sollte die Ausrichtung und Organisation unserer Kastellfeste als Highlight unserer Vereinsarbeit gesehen werden. Wenn man das Engagement des FHPD einmal in EURO beziffern wollte, so hat der FHPD in den letzten 10 Jahren mehr als 250.000,00 € für den Historischen Park Deutz aufgebracht, wobei der dickste Brocken sicher das Bronzemodell des Deutzer Kastells mit rund 68.000,00 € war. Finanziert werden konnte das alles durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Sponsoring und Zuschüsse, sowie durch Einnahmen bei verschiedensten Veranstaltungen. Betrachtet man das jetzt aus kaufmännischer Sicht, kommt man sicher zum Ergebnis einer durchaus positiven Bilanz.
Aus Erinnerungen werden Visionen der Zukunft
Ziehe ich nun ein Resümee meiner Erinnerungen, so waren es 10 Jahre mit vielen Hochs aber auch so manchem Tief, Zeiten der Freude, des Glücks und der Erfolge, aber auch Zeiten der Enttäuschungen, des Ärgers und der Konfrontationen. So manch dickes Brett musste gebohrt werden und an der einen oder andere Tür mussten wir gleich mehrfach anklopfen. Aber letztlich kann ich heute sagen, unser Einsatz und manchmal auch unsere Hartnäckigkeit haben sich gelohnt. Der Historische Park Deutz ist heute Realität und von der langen Liste der Kölner Sehenswürdigkeiten nicht mehr wegzudenken. Ganz im Gegenteil: Als Teil des neuen UNESCO-Weltkulturerbes „Niedergermanischer Limes“ bietet der HPD mit dem Deutzer Kastell noch viel Potential zur Weiterentwicklung. Das wiederum sichert auch die Zukunft des FHPD als Förderverein und stellt uns vor neue Aufgaben.